Was, wenn man den Stand der Technik nicht einhalten kann?

Es gibt Situationen, wo es nicht möglich ist Software am Stand der Technik zu entwickeln bzw. zu halten. Das kann vielerlei Gründe haben - z.B. dass der Releasetermin feststeht und bekannte Mängel hinsichtlich des Standes der Technik nicht rechtzeitig beseitigt werden können, oder dass aus fachlichen Gründen Libraries verwendet werden müssen, die selbst nicht dem Stand der Technik entsprechen.

Wie kann man in diesen Fällen Gewährleistungs- und Schadenersatzforderungen vermeiden?

Zunächst einmal sollte geprüft werden, ob der Stand der Technik tatsächlich nicht erreicht werden kann. Releasetermine sind beispielsweise meist willkürlich festgelegt und eine Verschiebung des Termins ist mehr im Interesse des Unternehmens, als eine zeitgerechte Release einer dann mangelhaften Software. In den meisten Fällen wäre das die wirtschaftlichere Variante. Das lässt sich aber nicht in allen Fällen machen. Was dann? Muss man darauf hoffen, dass die Mängel nicht aufgedeckt werden, keinen Schaden verursachen und dass einen der Auftraggeber nicht verklagt?

Den Kopf in den Sand stecken und zu hoffen, dass nichts passiert, verschlimmert alles nur:

Nur wenn man die Mängel einer Software kennt, kann man entsprechende Gegenmaßnahmen treffen, damit Schaden vermieden oder abgeschwächt wird. Aus diesem Grund ist es nicht nur moralische, sondern auch juristische Pflicht, den Auftraggeber auf die Nicht-Einhaltung des Standes der Technik aufmerksam zu machen: Die Warn- und Hinweispflicht (ABGB §1168a) bzw. Pflicht zur Bedenkenanzeige (VOB/B §4 Abs. 3) gilt nicht nur im Bauwesen, sondern bei allen Werkverträgen. Dabei reicht es aber nicht, rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass der Stand der Technik nicht eingehalten werden kann, sondern es muss auch auf die möglichen Folgen hingewiesen werden.

Kommt man der Warn- und Hinweispflicht bzw. Bedenkenanzeige nicht rechtzeitig nach, so wird man nicht nur gewährleistungs- und schadenersatzpflichtig, sondern verliert darüber hinaus auch noch Anspruch auf den Werklohn.

Gemeinsam mit dem Auftraggeber sollte dann nach einer für alle Beteiligten akzeptablen Kompromiss gesucht werden. u.U. ist die Erreichung des Standes der Technik für den Auftraggeber in diesem Fall nicht unbedingt erforderlich, oder es reicht, wenn die diesbezüglichen Verbesserungen in der nächsten Release nachgereicht werden. Wie man das rechtlich sauber macht, erfährt ihr im nächsten Blogpost "Sind Kompromisse bei technischen Schulden rechtlich ok?"

Fazit: Wenn erkannt wird, dass man den Stand der Technik nicht erreichen kann, gilt es unverzüglich und korrekt zu handeln, ansonsten können für beide Seiten unerwartete Kosten entstehen. 

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