Muss Software am Stand der Technik sein?
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Entwickelt man Software, so muss diese Tätigkeit, so wie auch die entstandene Software wie jede Dienstleistung bzw. jedes Produkt zumindest den Regeln der Technik entsprechen. Ansonsten drohen Gewährleistungs- und Schadenersatzforderungen.
Die (allgemein anerkannten) Regeln der Technik gehören zu den „Beschaffenheiten, die … üblich und vom Käufer erwartbar sind“ (§434 BGB) bzw. „gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften“ (§ 922 ABGB).1 Entspricht ein Produkt oder eine Dienstleistung wie Software oder Softwareentwicklung nicht den Regeln der Technik (ohne dass dieser Mangel explizit vereinbart wurde), so kann gemäß Gewährleistungsrecht (§ 437ff BGB bzw. § 932 ABGB) der Käufer eine Verbesserung verlangen und wenn diese Verbesserung nicht zielführend oder unzumutbar ist, vom Vertrag zurücktreten bzw. bei geringfügigen Mängeln eine Preisminderung verlangen.
Entsteht auf Grund der Verfehlung der Regeln der Technik ein Schaden, so kann auch dieser eingeklagt werden (§433 BGB bzw. 1293ff ABGB). Sowohl die nachträgliche Verbesserung als auch die Schadenskosten können dabei den Kaufpreis der Software bei weitem übersteigen und sind potentiell für den Softwarehersteller ruinös.
Das alles gilt unabhängig davon, ob man eine Software als Produkt (COTS oder Individualsoftware) verkauft, oder nur die Dienstleistung der Softwareerstellung im Rahmen eines Werkvertrages (§ 633ff BGB). Auch Freelancer oder IT-Dienstleister haften für Mängel und somit für die Erbringung ihrer Dienstleistung gemäß allgemein anerkannter Regeln der Technik.
Da sich in der Softwareentwicklung die Technologien und Techniken rasch verändern, wird es in den allermeisten Fällen unmöglich sein, ausschließlich auf solche Technologien und Techniken zu setzen, deren Richtigkeit und Zweckmäßigkeit in der Praxis allgemein als erwiesen gelten (wie es die Definition der allgemein anerkannten Regeln der Technik fordert2). Statt dessen setzt man in der Softwareentwicklung auf den fortschrittlicheren und keine allgemeine Anerkennung fordernden Stand der Technik. Der Stand der Technik gilt vor Gericht als höherwertig als die allgemein anerkannten Regeln der Technik, darum reicht die Einhaltung des Standes der Technik um die oben genannten gesetzlichen Forderungen einzuhalten.
Fazit: Kommerzielle Software muss, egal ob als Produkt vertrieben oder im Rahmen eines Werkvertrages erstellt, dem Stand der Technik entsprechen. Ansonsten drohen Gewährleistungs- oder Schadenersatzforderungen, die den Hersteller bzw. Dienstleister in den Ruin treiben könnten.
1. allgemein anerkannte Regeln der Technik wird die Qualität einer Verkehrssitte (§ 863 ABGB) bzw. Gebrauch im Geschäftsverkehr (§ 346 UGB) zugebilligt (vgl. Horst Schlosser, Franz Hartl, Lothar Schlosser: "Die allgemein anerkannten Regeln der Technik", ÖJZ 2009/8, S 60)↩
2. siehe Oliver Völkel: Neues Verständnis der Technikklauseln und ihr Verhältnis zu den technischen Normen. 2010, Seite 73; doi:10.25365/thesis.8608 ↩
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